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Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 04.02.2014- 9 U 149/13 -

Aktualisiert: 20. März 2022

Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beim Überholvorgang führt nicht automatisch zu Mitschuld an einem Verkehrsunfall.


Der Fall


Im Mai 2013 befuhr der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens mit seinem Motorrad die Hälverstraße in Schalksmühle. Im Bereich der Parkplatzein- und -ausfahrt eines an der linken Straßenseite gelegenen Lebensmittelmarktes überholte der Kläger ein vor ihm mit ca. 50 km/h fahrendes Fahrzeug, wobei er die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritt. Zu diesem Zeitpunkt bog Beklagte mit seinem Pkw vom Parkplatz des Lebensmittelmarktes nach rechts auf die Hälverstraße und kollidierte mit dem ihm entgegenkommenden, bereits überholenden Motorrad des Klägers. Der Kläger zog sich Verletzungen an seinem linken Sprunggelenk und seiner rechten Ferse zu, sein Motorrad erlitt einen Totalschaden.


Fahrzeugführer ist alleinverantwortlich

Das Oberlandesgericht Hamm hat dem Kläger einen Betrag von 8.000 Euro als Schmerzensgeld und ca. 11.500 Euro materiellen Schadensersatz zugesprochen. Es wurde ein Sachverständiger hinzugezogen, der ein unfallanalytisches Gutachten erstellt hat. Demnach sei allein der Beklagte für den Unfall verantwortlich. Nach der Straßenverkehrsordnung habe der Beklagte bei der Einfahrt vom Parkplatz auf die Straße die Gefährdung des Klägers als Teilnehmer des fließenden Verkehrs ausschließen müssen. Diesen Anforderungen habe er nicht genügt, bereits nach einem Anfahrtsweg von 6 m sei sein Fahrzeug mit dem Motorrad des Klägers kollidiert.


Kein Mitverschulden

Ebenfalls zu prüfen ist bei Verkehrsunfällen regelmäßig ein mögliches Mitverschulden des anderen Fahrzeugführers.

Im hiesigen Fall stellte das Gericht fest, dass für den Motorradfahrer zu Beginn seines Überholvorganges das Anfahren des Beklagten nicht zu erkennen gewesen sei, daher sei von keinem Mitverschuldensanteil auszugehen. Es sei zu seinen Lasten auch nicht zu berücksichtigen, dass er nur mit einer höheren Geschwindigkeit als 50 km/h habe überholen könne. Für sich betrachtet stelle dies zwar eine Ordnungswidrigkeit dar, jedoch ergäbe sich allein durch den Geschwindigkeitsverstoß kein faktisches Überholverbot. Der Geschwindigkeitsverstoß war ausweislich des Sachverständigengutachtens nicht kausal für den Unfall.

Nach dem Schutzzweck der Norm schützen normierte Überholverbote allein den nachfolgenden und den Gegenverkehr, nicht jedoch den von einem Parkplatz auf die Straße einfahrenden Verkehrsteilnehmer.



Fazit

Das Urteil zeigt, dass die Regulierung von Verkehrsunfällen keinesfalls automatisiert bearbeitet werden sollte. Immer ist der Einzelfall und das individuelle Unfallgeschehen in den Blick zu nehmen. Hier sollte ein Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Verkehrsrecht frühzeitig ansetzen und abwägen, ob ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt werden muss, um die Verschuldensfrage zu klären. Häufig ergeben sich in der Praxis dann doch Ansätze, die vorher zunächst nicht möglich erschienen. Besonders hervor sticht auch, dass das OLG hier lehrbuchmäßig mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Überholverbote argumentiert hat, sodass der Entscheidung insgesamt mit Zustimmung begegnet werden kann.


Wenn auch Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt sind, kontaktieren Sie uns gerne. Im Falle eines unverschuldeten Unfalls, muss die gegnerische Versicherung für all Ihre Kosten- zu denen auch die Rechtsanwaltskosten zählen- aufkommen. Wir beraten Sie gerne kostenlos.


Sinan Akcakaya

Rechtsanwalt


mail: mail@unfallloeser.de

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